Manch einer hat vielleicht von dem Vorfall gelesen. Ich hatte auf Mastodon (Mastodon) und Bluesky darüber berichtet. Dort sind auch Videostatements von Johannes Lichdi (Rechtsanwalt in diesem Fall) und mir vorhanden. Da das Ganze ein paar Wellen geschlagen hat, erschien dann auch ein Artikel bei t-online (t-online).
Aber was war alles passiert?
Am 26.09.2023 stand ich gegen 07:24 auf der Bautzner Landstraße an der Kreuzung B6 / S177 bei Rossendorf in er Nähe von Dresden an der roten Ampel Richtung Forschungsstandort Rossendorf. Der Radweg endet kurz vor der Kreuzung. Ich wechselte dort auf die Fahrbahn und stand als erste an der Kreuzung. Während des Wartens kam der Audifahrer dazu und blieb wartend hinter mir stehen. Kurz nach der Kreuzung verringert sich die Fahrstreifenbreite auf 3,5 m. Auf dem Außerortsabschnitt ist Tempo 70 angeordnet. Es gab keinen Radweg. Rechts der Fahrbahn gab es auch keinen Seitenstreifen zu diesem Zeitpunkt. Dafür gab es dort ein Straßengraben und Gebüsche. Die Mittellinie ist in weiten Teilen durchgezogen und im Kreuzungsbereich gibt es zusätzlich eine Sperrfläche. Die Fahrbahn war zu dem damaligen Zeitpunkt voller Straßenschäden, insbesondere am rechten Fahrbahnrand. Daher fuhr ich mit etwas Abstand zum Fahrbahnrand. Ich fuhr dort, wo Autos mit dem rechten Reifen fahren. Zusätzlich zu den Verkehrszeichen, die ein Überholverbot bedeuten, gab es durchgängig Gegenverkehr auf den folgenden 300 m. Soweit zur Situation vor Ort. Diese war für alle ersichtlich und auch durch Videos, die der Polizei und der Staatsanwaltschaft vorlagen, bekannt.
Als die Ampel grün wurde, fuhr ich zügig an. Der Audifahrer fuhr mit aufheulendem Motor an und begann zeitgleich das Dauerhupen. Die Staatsanwaltschaft nennt das später ein mehrfaches Einzelhupen. Wahrscheinlich musste er die Hand wechseln, weil sie vom Hupen ermüdet war. Er fuhr mir sehr dicht auf (teilweise nur 1-2 m Abstand). Er lies dabei immer wieder den Motor aufheulen und blieb beim Dauerhupen. Ich wusste, dass er dort nach ca. 300 m links abbiegen möchte zu seiner Arbeitsstätte. Ich wusste, dass ich nur wenige Meter weiter muss, bis ich ebenfalls abbiege. Ein Ranfahren, um ihn vorbeizulassen, war dort nicht möglich und auch nicht notwendig bei der kurzen Strecke. Er fuhr aber dennoch immer sehr dicht auf, hupend und mit aufheulendem Motor. Ich musste befürchten, dass er mich dort wegrammen wird. Ich kenne den Mann aus meinem Fahrradalltag und er fällt auch sonst durch eine sehr aggressive und gefährdende Fahrweise auf. Irgendwann bog er dann ab und ich fuhr die letzten Meter weiter bis ich ebenfalls abbog.
Ich entschied mich nach langer Zeit mal wieder eine Anzeige zu erstatten. Direkt bei der Staatsanwaltschaft. Ein Polizist der Polizeidirektion Süd sagte mir einmal vor ein paar Jahren, dass er diese Anzeigen nicht mehr bearbeiten wird. So bleibt nur noch die Staatsanwaltschaft. Zu der Anzeige legte ich Screenshots der Dashcam, die nach hinten zeigt. Das Hupen konnte man da natürlich nicht erkennen, aber das sehr dichte Auffahren und die Gesamtsituation vor Ort schon.
Ich habe den Fahrer des Audis wegen Bedrohung mit einer Waffe, Nötigung sowie aller weiteren in Frage kommenden Tatbestände am 27.09.2023 angezeigt. Beim Schreiben der Anzeige wurde ich sehr deutlich und habe gleichzeitig mein Missfallen um die Arbeitsverweigerung der Behörden zum Ausdruck gebracht. Die Stelle und die Situation dort sind denen seit Jahren bekannt.
Anfang Januar 2024 bekam ich von der Polizeidirektion Nord ein Schreiben, ich möge doch aufs Revier kommen, eine Aussage machen und die Videoaufnahmen mitbringen. Normalerweise hätte ich auf meine Anzeige verwiesen, die die Situation ausreichen präzise beschreibt. Aber da das Dauerhupen schriftlich natürlich nicht erlebbar ist, ging ich am 12.01.2024 aufs Revier. Dort übergab ich zu Beginn dem ermittelnden Polizisten die Videos. Dann lies er mich warten während er sich ca. 30 min die Videos immer wieder ansah. Ich war zwar nicht im gleichen Raum, aber das Dauerhupen war deutlich zu hören.
Dann begann die Befragung. Der Polizist war deutlich voreingenommen und schien keine Ahnung von der Rechtslage zu haben. Die kurze Geschichte ist, dass aus der Zeugenvernehmung eine Beschuldigtenvernehmung wurde. Ich habe ihm dort wieder und wieder erklärt und erklären müssen, warum ein regelkonformes und sicheres Überholen dort nicht möglich war. Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht mittig fuhr, sondern mit so viel Abstand zum Fahrbahnrand wie ihn sich Autofahrende auch nehmen. Das ganze Gespräch war einer ordentlichen polizeilichen Vernehmung unwürdig.
Er sagte unter anderem, dass er da auch immer mal lang fährt und er sich provoziert fühlen würde, wenn jemand so wie vor ihm fahren würde. Der Audifahrer wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht kontaktiert. Man hat sich gleich auf mich konzentriert.
Ich habe daraufhin ein Gedächtnisprotokoll angefertigt. Es ist etwas durcheinander, aber es war direkt danach aufgeschrieben und es sollte nichts vergessen werden. Wer den Ablauf dieser Vernehmung nachvollziehen möchte, kann sich ja das Gedächtnisprotokoll ansehen. Mit diesem Gedächtnisprotokoll habe ich Ende Januar 2024 auch Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt erstattet, da ich davon ausgehen musste, dass der Polizist Täterschutz betreiben wird.
Am 15.02.2024 flatterte mir der Strafbefehl mit 30 Tagessätzen ins Haus. Mir wurde Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 und 2 STGB zur Last gelegt. Tja. Was soll man dazu sagen außer, dass ich umgehend einen Anwalt kontaktiert habe, damit wir da in Widerspruch gehen.
Am 18.02.2024 wurde das Verfahren gegen den Dauerhuper mangels öffentlichen Interesses eingestellt. Die Staatsanwaltschaft sieht in dem Vorfall kein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit. Das gäbe es wohl erst bei schwerwiegenden Verletzungen. Wie man so VisionZero erreichen will, ist mir ein Rätsel. Zudem wird mir passiv aggressiv vorgeworfen, dass ich durch mein eigenes Vortatsverhalten (persönliche Anmerkung: gemeint ist die regelkonforme Fahrweise) zur Eskalation beigetragen habe.
Dann hieß es warten. Am 30.08.2024 sollte dann meine Hauptverhandlung sein. Fehler machen wir alle einmal, aber ich war mir sicher, dort richtig gehandelt zu haben. Aber Recht haben und Recht bekommen, muss ja nicht das Gleiche sein.
Die Verhandlung war derartig schräg, dass mir am Ende das Gesicht schmerzte, weil ich die ganze Zeit keine Miene verzogen und mir jeden Kommentar verkniffen habe. Das war Autojustiz wie wir uns das immer vorstellen. Das Video wurde von Staatsanwaltschaft und Richter bis zu diesem Zeitpunkt scheinbar nicht gesichtet. Man hat sich einzig auf die verdrehten Aussagen des Polizisten verlassen. Dabei hat man vergessen die Rechtslage dort mal zu hinterfragen. Gerade, wenn der Richter die Strecke dort kennt, wie er selbst sagte, muss es doch mal jemanden aufgefallen sein, dass das so nicht funktioniert.
Ich kann hier nicht alles wiedergeben. Das würde den Rahmen sprengen. Der Zeuge (Dauerhuper) fühlte sich dort völlig im Recht. Er meinte er wollte dort über die Sperrfläche überholen. Seine ganze Aussage strotzte vor Egoismus und Unkenntnis der StVO. Der Staatsanwältin war bei seinen Aussagen kurz mal das Gesicht eingeschlafen. Dann, kurz bevor er als Zeuge entlassen wurde, bat er noch um eine persönliche Anmerkung. Der Typ sagt, dass er denkt ich sei verrückt, weil ich ihn dort wohl schon häufiger angeschrien habe. Dem Richter ist dabei fast das Gesicht runtergefallen. Nun ja. Über die möglichen Gründe brauchen wir hier nicht zu spekulieren. Der Typ überholt dort regelmäßig Radfahrende mit zu wenig Überholabstand bis hin zu Spiegelstreifen. Und das auf einer Landstraße. Ich habe mir meinen Kommentar verkniffen.
Der Polizist war gleich gar nicht gekommen. Das warum interessiert mich bis heute.
Jetzt konnte man mir also so wirklich nix mehr richtig anhängen und dann ging das Geschwafel von gegenseitiger Rücksichtnahme los. Staatsanwältin und Richter wurden nicht müde zu betonen, dass sie ja auch Rad fahren, aber man muss eben auch Rücksicht nehmen. Man bot mir eine Einstellung des Verfahrens an gegen eine Zahlung von 200 €. Ich habe abgelehnt. Ich war hier unschuldig und deren gegenseitige Rücksichtnahme ist nur das Recht des Stärkeren. Der Richter hat versucht Druck auszuüben. Dann geht es eben vor dem Landgericht weiter. Das kostet extra und und und.
Irgendwann wollte der Richter sich dann mal die Bilder anschauen. Endlich. Da sollte alles klar werden. Aber krass wie sehr die Windschutzscheibenperspektive in den Köpfen der Autojustiz ist. Die blendeten alle Informationen auf den Bildern aus (Sperrfläche, durchgezogene Linie, Gegenverkehr, dichtes Auffahren). Die haben nur gesehen, dass ich nicht ganz am rechten Rand fuhr.
Das war Selbstbeherrschung meinerseits dort in der Situation ruhig zu bleiben.
Es gab ein Bild, welches für eine andere Anzeige gedacht war (Fall 3 aus dem Gedächtnisprotokoll), da fuhr ich tatsächlich fast mittig im Fahrstreifen. Für einen kurzen Moment. Durch Schulterblick und Arm raushalten hatte ich dort einen leichten Schlenker gemacht.
Zu diesem Zeitpunkt war der Audifahrer gar nicht mehr hinter mir. An diesem Bild wollte der Richter festmachen, dass ich mittig gefahren wäre und dadurch den Audifahrer am Überholen gehindert habe.
Da fehlt einen der 2. Kopf zum Schütteln. Ich fragte ihn, wo denn der Audifahrer auf diesem Bild ist. Der Richter sagte, dass der mich da bereits überholt hätte. Ich meinte nur, dass er mich nie überholt hat, sondern bereits vorher abgebogen war. Da kam beim Richter so langsam eine Erkenntnis. Aber man wollte es scheinbar auch nicht darauf beruhen belassen.
Wir gingen wieder zu unseren Plätzen. Wieder bot man mir die Einstellung gegen eine Zahlung an und quatschte mich mit der gegenseitigen Rücksichtnahme voll. Ein Satz lässt mich immer noch grübeln. Die Staatsanwältin meinte, dass irgendwann auch mal gut sei. Die Geschichte dahinter würde mich schon interessieren.
Nach langen hin und her wollte der Richter dann endlich einmal das Video sehen. Selbst mit reduzierter Lautstärke dröhnte das Dauerhupen durch den Raum. Er bemerkte schnell die durchgezogene Linie, den Gegenverkehr, die Sperrfläche und die Straßenschäden. Blicke wurden ausgetauscht. Wir haben das Video nicht mal bis zum Ende gesehen. Vermutlich waren sie vom Hupen genervt. Dann ging es schnell. Von der Staatsanwaltschaft wurde Freispruch beantragt.
Das letzte Wort habe ich mir nicht nehmen lassen. Ich wies drauf hin, dass es mit meiner Fahrweise nicht die Absicht habe andere am Fahren zu hindern, sondern, dass ich das für meine Sicherheit so mache. Und gegenseitige Rücksichtnahme schließt die Gegenseitigkeit mit ein. Ich denke der Richter hat verstanden wie ich das meinte.
Freispruch
Warum beschreibe ich die Verhandlung so ausführlich? Weil es unwürdig war. Es war reine Autojustiz. Man hat sich mit den Fakten des Falls nicht beschäftigt. Man hat sich auf die falschen Darstellungen des Polizisten verlassen. Und als klar wurde, dass das alles nicht zutrifft, wollte man mir der gegenseitigen Rücksicht eins reindrücken. Denn irgendwie muss die Radfahrerin ja dran schuld sein. Alles andere passt nicht ins carbrain.
Dabei haben wir es aber nicht belassen. Mit den Aussagen des Dauerhupers und meinem Freispruch haben wir am 24.09.2024 erneut Anzeige erstattet. Immerhin hat er vor Gericht eigentlich alles zugegeben und mein Vortatsverhalten hat sich als regelkonforme Fahrweise herausgestellt. Die ursprüngliche Begründung zur Einstellung ist eigentlich nicht mehr vorhanden.
Die Antwort kam schnell. Am 14.10.2024 teilte man uns mit, dass man der Beschwerde keine Folge geben werde. Man redet sich weiterhin mit fehlendem öffentlichem Interesse heraus.
Zeitgleich mit der Beschwerde hatten wir den Dauerhuper noch bei der Führerscheinstelle gemeldet. Seine Aussagen vor Gericht und ein Video habe ich denen zur Verfügung gestellt.
Diese teilten mir dann am 15.01.2025 mit, dass sie keine Maßnahmen ergreifen werden. Es handle sich um eine strafrechtliche Sache und ich solle mich an die Polizei wenden. Die haben sich also nicht mal mit dem Fall beschäftigt, sonst wüssten sie, dass das Teil der Vorgeschichte war. Vielleicht haben sie es auch nicht begriffen.
Die spielen also Zuständigkeits-Ping-Pong, der Polizist kann Tatsachen verdrehen und im eigenen Interesse seine Befugnisse als Polizist missbrauchen und die Staatsanwaltschaft redet sich wieder einmal mit fehlendem öffentlichem Interesse raus.
Und dann soll man noch höflich bleiben …
Ich habe meine Konsequenzen draus gezogen. Wir müssen die RiStBV ändern. Darin wird das öffentliche Interesse geregelt. Danach handeln die Staatsanwaltschaften. Das öffentliche Interesse bei motorisierter Gewalt muss bejaht werden.
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