„Raum für Taten und Talente“ – die Stadt Böblingen beweist: Manche Talente liegen im kreativen Umgang mit der StVO
Ein Bußgeldbescheid aus Böblingen vom 22. November 2019 zeigt beispielhaft, wie absurd Verkehrsrecht in der Praxis werden kann. Was war geschehen? Ein Radfahrer wollte am 12. August 2019 um 18:34 Uhr am Postplatz links abbiegen. Soweit nichts Ungewöhnliches – würde man meinen.
Was die StVO vorschreibt
Die Straßenverkehrs-Ordnung ist in § 9 Absatz 1 eindeutig: „Wer nach links abbiegen will, hat sein Fahrzeug […] möglichst weit links einzuordnen, und zwar rechtzeitig.“ Für Radfahrer gilt zwar eine Sonderregelung in § 9 Absatz 2, wonach sie auch vom rechten Fahrbahnrand aus abbiegen dürfen – aber wer sich links einordnet, handelt nicht nur regelkonform, sondern oft auch sicherer und verkehrsflüssiger.
Genau das tat der Radfahrer. Er ordnete sich links ein, wie es das Gesetz vorsieht.
Dann kam das schwarze Auto
Wie auf einem Video dokumentiert ist, wurde der Radfahrer von rechts von einem schwarzen Auto zu Fall gebracht. Man sollte meinen: Klarer Fall von Gefährdung, möglicherweise unzulässiges Überholen, mindestens eine Verkehrsordnungswidrigkeit – des Autofahrers.

Die behördliche Logik
Doch das Bürger- und Ordnungsamt der Stadt Böblingen sah das anders. Der Bußgeldbescheid richtet sich gegen den Radfahrer. Vorwurf: „Sie verstießen beim Überholtwerden gegen das Rechtsfahrgebot. Es kam zum Unfall.“
Lesen wir das nochmal langsam: „beim Überholtwerden“. Der Radfahrer wurde also überholt, zu Sturz gebracht – und bekommt dafür einen Bußgeldbescheid über 55 Euro Geldbuße plus 28,50 Euro Gebühren und Auslagen. Gesamtforderung: 83,50 Euro.
Die Beweislage
Immerhin dokumentiert der Bescheid selbst die Beweismittel: „Unfallaufnahme, Foto“ sowie mehrere Zeugen von der Polizei. Ein Video zeigt den Hergang. Und trotzdem wird nicht der Autofahrer zur Kasse gebeten, der von rechts kommend einen korrekt eingeordneten Radfahrer zu Fall bringt, sondern das Opfer selbst.
Das eigentliche Problem
Der Fall illustriert ein grundsätzliches Problem im deutschen Straßenverkehr: Die systematische Benachteiligung von Radfahrern. Wer sich an die Regeln hält, links einordnet und dann von einem Auto umgefahren wird, bekommt ein Bußgeld – wegen „Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot beim Überholtwerden“.

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