Wir wollten zu zweit zum Tegut einkaufen fahren und waren mit unseren Rädern unterwegs. Um von der Zeppelinstraße links auf den Tegutparkplatz abzubiegen, ordneten wir uns links ein. Durch die Bushaltestelle vorher hat man kurz fast zwei Fahrstreifen in die gleiche Richtung Platz, dies genügt jedoch nicht für einen Überholvorgang, da bis zu der Stelle, wo man den Gegenverkehr zum Linksabbiegen auf den Parkplatz abwartet, sich die Fahrbahn so weit verjüngt, dass zum Vorbeifahren auf der rechten Seite schlicht nicht genug Platz für einen Pkw ist (Schätzung nach Google Maps: 2,85m Breite der Spur, der Kleintransporter ist samt Spiegel knapp 2,5m breit).
Es regnet, die Fahrbahn ist nass. Ich fahre voraus. Auf Höhe der Bushaltestelle vernehme ich ein Hupen und bremse instinktiv. Ich komme auf der nassen Fahrbahn ins Rutschen. Nur durch Glück stürze ich nicht. Im Juristensprech liegt nun also nicht mehr nur eine abstrakte, sondern eine konkrete Gefahr vor. Ich komme auf Höhe des Tegut-Parkplatzes zum Stehen, nach wie vor links eingeordnet zum Abbiegen und warte auf eine Lücke im Gegenverkehr. Der Fahrer des Kleintransporters, der mich angehupt hatte, ist ungeduldig. Ich vernehme deutliche Motorgeräusche und sehe den Fahrer gestikulieren. Der Fahrer bewegt das Fahrzeug auf mich zu. Dazu muss man wissen, dass an dieser Stelle noch eine leichte Steigung gegeben ist, so dass der Fahrer für ein Zufahren auf mich nicht einfach nur die Bremse gelöst hatte, sondern tatsächlich Gas geben musste.
Ich hatte die akute Panik, entweder von ihm in den Gegenverkehr geschoben zu werden oder direkt überfahren zu werden. Deswegen flüchtete ich dann samt Rad auf den Bürgersteig auf der rechten Seite, unter der lauten Ankündigung, dass dies Nötigung sei und ich Anzeige erstatten werde, was ich auch am gleichen Tag noch bei der Polizei tat. Als Zeugen gab es meine Begleitung, eine Beifahrerin im Kleintransporter und meine Wenigkeit. Da der Kleintransporter einer bekannten Organisation gehörte und mit dem Sticker „Fahrstil okay?“ samt Telefonnummer versehen war und ich sowieso wieder mit einer Einstellung des Strafverfahrens rechnete, sendete ich parallel eine Beschwerde an den Arbeitgeber des Fahrers. In einer prompten Reaktion entschuldigte sich der Fahrdienstleiter im Namen seines Angestellten noch vor Weihnachten bei mir und ich nahm die Entschuldigung an. Ich erklärte, dass das Strafverfahren wahrscheinlich eingestellt werden würde und ich die Sache mit der Entschuldigung für erledigt halte.
Nur habe ich die Rechnung da ohne die Justiz gemacht. Zwar kam im Mai 2018 dann eine Einstellung, warum dort nun nicht auf den Privatklageweg verwiesen wurde, sondern eine Einstellung aus tatsächlichen Gründen vorgenommen wurde, erschloss sich mir zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, da ich die Sache jedoch wie beschrieben für erledigt hielt, legte ich den Fall zu den Akten. Doch wenige Tage später stand auf einmal die Polizei vor meiner Wohnungstür und eröffnete mir, dass ein Polizist (nicht etwa der Beschuldigte oder seine Beifahrerin) ein Strafverfahren wegen falscher Verdächtigung gegen mich gestartet hat. Bis dato hatte ich das Verhalten der Strafverfolgungsbehörden mir noch mit Überlastung schöngeredet, aber jetzt schien es mir, als wollen sie einfach nur um die Täter-Opfer-Umkehr auf die Spitze zu treiben mir das Leben schwer machen. Was ihnen auch gut gelungen ist, da ich gerade selbst im Einstellungsprozess bei meinem zukünftigen Arbeitgeber war, musste ich diesen gemäß meiner Mitteilungspflicht von dem eröffneten Strafverfahren in Kenntnis setzen. Ich sprach zudem erneut mit dem Fahrdienstleiter und erklärte ihm, dass ich die Sache nun doch nicht ruhen lassen könne, auch wenn ich das gern getan hätte.
Ich wunderte mich sehr, was Fahrer und Beifahrerin ausgesagt haben müssen, dass der Polizist der Meinung war, er müsse den Autoinsassen so viel mehr Glauben schenken als den beiden Radfahrern und stellte dementsprechend gleich am nächsten Tag Antrag auf Akteneinsicht. Im Juli 2018 wurde das Verfahren gegen mich eingestellt. Meine Bitte um Akteneinsicht blieb jedoch unbeantwortet, was ich vorerst mangels Zeit auf sich beruhen ließ, bis ich dann Ende Juli 2020 erneut unter Hinweis auf meinen Antrag von vor zwei Jahren Akteneinsicht beantragte. Diese wurde mir dann auch gewährt, allerdings nur vor Ort. Vor Ort erhielt ich dann Einsicht in das Verfahren gegen mich wegen falscher Verdächtigung, aber da stand nicht viel Interessantes drin, außer dass es für eine falsche Verdächtigung die Schilderung falscher Tatsachen bräuchte, nicht ausreichend sind bloße Urteile oder Rechtsbehauptungen oder das Ziehen falscher Schlüsse aus richtig wiedergegebenen Tatsachen. Ich wollte aber wissen, was Fahrer und Beifahrer ausgesagt hatten. Doch für das Strafverfahren wegen Nötigung müsse ich erneut einen Antrag auf Einsicht stellen… Ich stellte also einen dritten Antrag, musste auch „nur“ drei Wochen warten und dann wieder persönlich zur Staatsanwaltschaft.
Nach Sicht der Aussagen der beiden Autoinsassen war ich schockiert, nicht etwa wegen der Diskrepanz zu unseren beiden Aussagen, sondern wegen des FEHLENS größerer Diskrepanzen. Natürlich kann der Beschuldigte Schutzbehauptungen aufstellen und natürlich wirkt das Geschehen im Schutze des Blechs weniger bedrohlich als draußen, aber laut Aussage der Beifahrerin (die im Gegensatz zum Beschuldigten wahrheitsgemäß aussagen muss) decken sich unsere Aussagen hinsichtlich: Zeit und Ort, Wetterlage, Hupen, „näher kommen“ und Überholen auf Höhe der Einfahrt zum Parkplatz, wo aber schlicht kein Platz dafür ist, was sie natürlich gekonnt verschweigen, aber jeder objektiv überprüfen kann, wenn man mal auf die Idee käme im Ansatz irgendwas zu tun, was den Namen „Ermittlung“ verdiente.
Ich befragte sofort einen Rechtsanwalt, ob ich ein Verfahren wegen Verfolgung Unschuldiger eröffnen solle. Ebenso telefonierte ich mit der bayerischen Zentralstelle für interne Ermittlungen. Im Endeffekt sah ich dann aber von einer Anzeige ab, weil ich zum einen dann auf ewig gebrandmarkt wäre bei den Behörden, was ich durchaus in Kauf genommen hätte, wenn nicht zum anderen die Chance einer Verurteilung so verschwindend geringe wäre. So hat geschickterweise der Polizist (und nicht der Staatsanwalt) den Vorwurf ins Spiel gebracht, der Polizist hingegen kann sich natürlich Mangels vertiefter Rechtskenntnis damit verteidigen, dass er tatsächlich dachte es läge eine falsche Verdächtigung vor. Der Staatsanwalt hingegen hätte wissen müssen, dass es dafür der Schilderung falscher Tatsachen bedarf, wobei auch dann der Nachweis von „absichtlich oder wissentlich“ schwer wird. In diesem Fall schützt also tatsächlich Unwissen vor Strafe.
Allerdings bin ich wohl eh schon gebrandmarkt, so schrieb der Polizist schon bei Anzeigeerstattung: „Die polizeiliche Recherche mit dem internen Datenbestand ergab, dass Herr XXX bereits des Öfteren wegen ähnlicher Anzeigen in Erscheinung getreten ist.“
Wer dachte, dass damit der Fall endlich abgeschlossen sei, hat die Rechnung ohne den Willen der Polizei gemacht mich von zukünftigen Anzeigen abzuhalten. Haben sie doch tatsächlich auch nach der Einstellung des Verfahrens wegen falscher Verdächtigung gegen mich das weiter im bayerischen Kriminalaktennachweis gespeichert. Immerhin haben sie ihren Fehler auf meinen Hinweis dann eingesehen und den Eintrag Anfang 2021 gelöscht.
Zusammenfassend: Der von mir beschuldigte Berufskraftfahrer wollte NACH EIGENER AUSSAGE bei geringer Geschwindigkeit, unklarer Verkehrslage und im 1. Gang bei sich verengender Fahrbahn mich (auf regennasser Fahrbahn) überholen und empfand sein eigenes Fahrverhalten aber als so gefährlich, dass er mich durch Hupen vor sich selbst warnen wollte. Die Polizei vergisst jegliche Gesetze, kann kein strafbares Verhalten erkennen und meint stattdessen ohne auch nur eine Tatsachenbehauptung von mir konkret anzuzweifeln, dass der Ausruf Nötigung dafür genügt mich wegen falscher Verdächtigung zu bestrafen. Nach Einstellung wollten sie die falsche Verdächtigung weiter im Kriminalaktennachweis führen. Da hätte ich ja fast froh sein können, wenn das ursprüngliche Verfahren mangels öffentlichen Interesses eingestellt worden wäre.
Das Verhalten der Behörden hat seine wohl beabsichtigte Wirkung entfaltet, bei jeder zukünftigen Anzeige habe ich mir zweimal überlegt, ob ich mich der Gefahr einer erneuten Täter-Opfer-Umkehr und strafrechtlicher Verfolgung aussetzen möchte. Inzwischen sehe ich öfter von einer Strafanzeige ab und lasse „nur“ Ordnungswidrigkeiten verfolgen, damit ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Beschuldigten immerhin irgendeine Strafe und keinen Freifahrtschein erhalten. Immerhin hatte ich in diesem Fall eine Entschuldigung vom Arbeitgeber erhalten und hatte damit eigentlich meinen Frieden geschlossen, bis die Polizei unangekündigt vor meiner Tür stand.
Die Frage bleibt: Wie kann man sich auf legalem Wege vor Autofahrern schützen, die einen absichtlich in Gefahr bringen?
Schreibe einen Kommentar